Aktives Zuhören

Aktives Zuhören unterscheidet sich vom passiven Zuhören dadurch, dass der Zuhörer seine ganze Aufmerksamkeit seinem Gegenüber zuwendet und wirklich nur zuhört und sich in die Geschichte des Erzählers einfühlt, anstelle einer Geschichte nur passiv mit halben Ohr zu folgen möglichst schnell seine eigene Meinung einzubringen oder Ratschlage zu geben. Beim Aktiven Zuhören, welches erstmals von dem Psychotherapeuten Carl Rogers als Methode während seiner psychotherapeutischen Behandlungen beschrieben wurde, wendet man aktiv verbale und nonverbale Elemente des Zuhörens an und ist mit ganzem Herzen bei der Geschichte des Erzählers. 

 

Die Methode ist mittlerweile wegen ihrer positiven Wirkung auf die Beziehung zwischen Menschen auch außerhalb der Psychotherapie weit verbreitet. Sie erzeugt ein Gefühl des Vertrauens und findet deshalb zunehmend Anwendung im Gesundheitswesen.

Das Aktive Zuhören geht von einer empathischen, wohlwollenden Haltung aus, d.h. der Zuhörer will den Erzähler verstehen und versucht sich deshalb bestmöglich in seine Lage zu versetzen. Das bedeutet, sich dem Erzähler körperlich offen zuzuwenden, Blickkontakt zu haben und sich in einer störungsfreien Situation zu befinden. Hier wird bereits deutlich, dass Aktives Zuhören nicht zwischen Tür und Angel stattfinden kann. Der Erzähler beginnt meist aus einem Small-Talk von sich mit dem Thema, welches ihn beschäftigt. Der Zuhörer realisiert dieses Anliegen und nimmt sich daraufhin zurück, d.h. er unterlässt Nebenbeschäftigungen, wie z.B. aufräumen, mit etwas herumspielen oder in eine andere Richtung zu schauen. Auch geistige Nebenbeschäftigungen, wie das Formulieren einer Antwort, das Planen des Wochenendes o.ä. müssen eingestellt werden. Man hört zu und signalisiert dies verbal mit gelegentlichen Rückmeldungen, wie "mmh, ja, ich verstehe" oder auch nonverbal mit einem Kopfnicken. Gelegentlich sollte paraphrasiert werden, was man verstanden hat. darunter versteht man das Zusammenfassen in eigenen Worten ("Habe ich richtig verstanden, dass... Also es war so, dass"...etc.). So stellt man sicher, dass keine Missverständnisse auftreten. Weiter sollte man Gefühlsregungen des Sprechers ansprechen, wenn man sie wahrnimmt ("Sie wirken darüber sehr traurig/wütend, etc."). Hin und wieder kann es auch notwendig sein Nachfragen zu stellen (Wer genau hat das gemacht? Wann war das genau?).

 

Auf diese Weise gelingt es dem Zuhörer, die Situation aus der Sicht des Betroffenen zu erfassen und sich einzufühlen. Der Sprecher spürt diese Aufmerksamkeit, die ihm entgegengebracht wird und fühlt sich nach so einem Gespräch nicht selten befreit und erleichtert "sich etwas von der Seele gesprochen zu haben". In der Arztpraxis erzeugt dies eine Beziehung des Vertrauens zwischen Mitarbeiter und Patient. Auf der Grundlage dieses Vertrauens gelingt eine effektive Behandlung besser (Compliance) und die Patientenbindung an die Praxis wird gestärkt. Auf diese Weise werden andere Widrigkeiten, wie z.B. auftretenden Wartezeiten, in der Regel besser toleriert. Der Patient hat nicht das Gefühl "abgefertigt" zu werden, sondern ernstgenommen zu werden. Abseits der Gefühlsebene erfährt man meistens auch Dinge, die für die Therapie wichtig sind und Missverständnisse werden vermieden.

 

Abschließend möchte ich eines der wichtigsten Dinge beim Aktiven Zuhören herausstellen: Ich erwähnte eingangs schon, dass eigene Ratschläge und Erfahrungen sowie die eigene Meinung zurückgehalten werden müssen. Dies fällt insbesondere extrovertierten Menschen schwer. Sie spüren einen ständigen Impuls, sich mitzuteilen ("Das kenne ich... Ich hatte so etwas auch schon...Bei mir war es ähnlich...") und können stille Phasen in einem Gespräch nur schwer aushalten. Am Anfang muss der Zuhörer sich deshalb stark kontrollieren und lernen zu akzeptieren, dass es nicht um das "Ich" geht, sondern um den Anderen. Das Aktive Zuhören geht nämlich von der Grundannahme aus, dass nur derjenige eine Lösung für das Problem finden kann, der es auch hat. Wenn man genau darüber nachdenkt, macht dies auch Sinn: Die Ratschläge von anderen sind zwar oft gut gemeint, helfen aber nur in den seltensten Fällen weiter. Letztlich muss jeder seine eigene Lösung finden. Gefunden wird die eigene Lösung oft, wenn man sein Problem mal richtig ausbreiten und sortieren kann und das Gegenüber einem spiegelt, wie es die Situation wahrnimmt - so wie es beim Aktiven Zuhören der Fall ist.

Seine Meinung zurückzuhalten bedeutet übrigens nicht, dass man die Meinung des anderen teilt. Man kann sogar völlig unterschiedlicher Ansicht sein - es spielt nur keine Rolle. Dies anzuerkennen macht professionelle Kommunikation aus - man lernt, seine eigenen Bedürfnisse und Meinungen zurückzustellen.

 

Ich empfehle, diese Methode immer mal wieder bei Patienten, Freunden und Familie anzuwenden und mit sich selbst nicht zu streng zu sein, wenn es nicht auf Anhieb klappt und man gelegentlich zurück in seine alte (passive) Zuhörerrolle fällt, in der man Ratschläge gibt und eigene Erfahrungen mitteilt. Alles braucht seine Zeit und etwas Übung. Meist sind die Menschen dankbar über das offene Ohr, welches ihnen geschenkt wurde.